Einleitung

Südtirol kann auf ein reiches archäologisches Erbe blicken. Als Schnittpunkt zwischen Räumen und Kulturen wurde das "Land im Gebirge" über Jahrtausende entlang der den Brenner querenden Nord/Südachse und den Pässen und Übergängen nach Osten ins Drautal, nach Westen ins Inntal und in die Schweiz von wandernden Stämmen und Völkerschaften durchwandert und durchstreift. Ein prominenter Wanderer mag uns da in den Sinn kommen, Ötzi, der "Mann vom Hauslabjoch", der uns Einblick in die südalpine Welt vor 5300 verschafft und im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen dem nicht abreißenden Strom interessierter Besucher ausgeliefert ist.

Den Römern war unsere Heimat wichtig genug, um eine alpenquerende Straße, die Via Claudia Augusta, durch das Land zu ziehen, auf der die berühmte römische Post, der Personen- und Warenverkehr, vor allem aber auch das Militär zwischen dem Süden und dem Norden befördert wurden. Eine weitere Römerstraße wurde durch das Pustertal gebaut, welche Aquileia und Basel miteinander verband und für den gewerblichen und militärischen Verkehr entlang der Grenze genutzt wurde. Nach dem "Verenden" des Römischen Reiches waren es wieder und wieder wandernde germanische Stämme, die nach Süden drängten, um sich der materiellen Überreste des einstigen Weltreichs zu bedienen. Langobarden zogen durch, Bajuwaren sind in unserem Land hängen geblieben und haben unsere Vorfahren, die ihr rätisches Idiom schon längst mit romanischen Versatzstücken vermischt hatten, im Lauf der Jahrhunderte gründlich eingedeutscht. Dann die Karolingerherrschaft, dann die des Deutschen Reiches, und irgendwann waren wir Österreicher, nein: Tiroler. Bis 1920 aus dem südlichen Tirol Südtirol wurde, in der nationalistischen Diktion der nunmehrigen Herrscher, des italienischen Königreichs und der Faschisten: Alto Adige.

Die historischen Hinterlassenschaften an Baulichkeiten und Objekten wurden in den vergangenen Jahrzehnten systematisch erforscht. Auch der Peterbühel hat seine systematischen Ausgrabungen bekommen. Bis zu einem gewissen Punkt: Dann, 1959, wurden die archäologischen Aktivitäten eingestellt bzw. verlagert, nach Sanzeno, nachdem die zuständige Entscheidungsträgerin, Bruna Forlati, Soprintendente alle Antichità delle Venezie, entschieden hatte, die bereits laufenden ergiebigen Sondierungen in Sanzeno (das Ergebnis muss man bei einer Besichtigung des dortigen Rätischen Museums beinahe neidlos anerkennen) mit den aus Völs abgezogenen Ressourcen zu intensivieren.

Völs am Schlern, wie es zur Unterscheidung von Völs bei Innsbruck offiziell heißt, liegt südlich des Städtchens Klausen auf der orographisch linken Talseite des Eisacktals auf 880 m Höhe. Es ist das südliche der beiden Ortschaften Völs am Schlern und Kastelruth mit Seis und liegt wie diese auf einer Mittelgebirgsterrasse unter dem Schlernmassiv. 16 km von der Landeshauptstadt Bozen gelegen und verkehrsmäßig ausgezeichnet an das Rosengartengebiet mit Übergang ins Fassatal einerseits, in Richtung des Grödentales, zur Seiser Alm und nach Klausen andererseits angeschlossen, befindet es sich in einer offenen, bevorzugten Lage.

Das archäologische Highlight stellt der Peterbühl, der "Peatrpiel", St. Peter auf dem Bühel dar. Dieses wollen wir nun näher erforschen.

Der Faszination dieses Hügels kann sich auch der archäologisch weniger Interessierte kaum entziehen. In unmittelbarer Nähe der um die Völser Kirche gruppierten Häuseransammlung gelegen, grüßt das St. Peterskirchlein von der Kuppe eines wohlgeformten Hügels und trotzt seit vielen Jahrhunderten Wind und Wetter. Kinder spielen auf den vor Urzeiten terrassierten Abhängen, die Ziegen des am Fuß des Hügels gelegenen Florer-Bauern knabbern an den Büschen, und auf den da und dort unter Rosskastanien und wilden Kirschbäumen und am Kirchlein platzierten Bänken sitzen betagte Paare in der milden Abendsonne und lassen die Blicke über die bewegte Landschaft schweifen, die sich vom Süden über Schloss Prösels und Ums bis nach Völs entrollt. Dahinter ruht, den Blick nach Osten verwehrend, ernst und durchaus auch etwas abweisend eine gar nicht so ferne Felswand, gemauert aus Tschafon, Hammerwand und Schlern. In alten Ansichten zeigt der Peterbühl einen kahlen Rücken mit dürftigem Baumbestand. Es lässt sich nachvollziehen, dass die nunmehr seit der Jahrhundertwende mit Kiefern bewaldeten Nord- und Westhänge damals die Sicht nach Norden und, trat man zum schroff abfallenden Abhang an der Westseite vor, an die gegenüberliegende Seite des Rittner Mittelgebirges und bis hinab in die Eisackschlucht gewährte, durch die sich bereits in rätischer Zeit ein Karrenweg schlängelte. Die Voraussetzungen für eine Kontrollstation, die bereits in vorgeschichtlicher Zeit den Karrenverkehr längs des Eisacks überwacht haben könnte, waren damit schon einmal gegeben. Nach rätischer Urzeit kamen die Römer, die überall und alles kontrollieren zu müssen glaubten, um dann im fünften nachchristlichen Jahrhundert nach Süden marodierenden Germanenstämmen das Feld zu räumen. Hinterlassen haben sie dies und das, vor allem auch ihre Sprache, die sich in einem unaufhaltsamen Prozess - Sieger drücken den Besiegten nun einmal ihren Stempel auf - in das rätische Idiom mischte und diese bis zur Unkenntlichkeit mit romanischen Elementen überformte. Die Nächsten, die sich am Rätoromanischen zu schaffen machten, waren die Bayern, und seitdem spricht der Großteil unseres Südtiroler Völkleins einen germanischen Dialekt. Nur mehr Orts-, Hof- und Flurnamen erinnern an die alte Zeit, die so gut gar nicht gewesen sein dürfte. Die Jahrhunderte vergingen, die Wehrstrukturen auf dem Hügel konnten die örtlichen Ausläufer der Völkerwanderung nicht aufhalten, die karolingische Herrschaft verblasste und zog sich zurück, die österreichische Monarchie genauso, und seit 1920 sind wir mehr oder weniger freiwillig eine österreichische Enklave auf italienischem Staatsgebiet. Der Peterbühl hat alle diese Veränderungen über sich ergehen lassen. Die rätischen Häuser sind immer wieder Bränden zum Opfer gefallen, die wohl zu Unrecht den Römern in die römischen Sandalen geschoben worden sind und bestimmt viel eher Zufallsbrände waren, und wurden schließlich im Verlauf des frühen Mittelalters aufgegeben. Der Siedlungsschwerpunkt hat sich sukzessive nach Osten verschoben, überbaute die im Dämmer der Zeiten versunkene eisenzeitliche Nekropole und mutierte in die dörfliche Struktur, die wir heute als Völs, zur Unterscheidung zum Nordtiroler Pendant, als "Völs am Schlern" kennen und bewohnen.

Und das Kirchlein oben auf dem Buckel des Hügels? Es hat im Lauf der Jahrhunderte einiges an Veränderungen erfahren und ist von einem (vermuteten) römischen Verwaltungsgebäude über einige Umbauten, die man erst noch nachvollziehen müsste, irgendwann über die Gotisierung vor 500 Jahren zur heutigen Gestalt gekommen. So hat der "Pichl" ein wechselvolles Schicksal erfahren, und manches, wenn beileibe auch nicht alles - die Schätzung des Archäologen Lorenzo Dal Ri spricht von 10% - ist in den 1950er Jahren und in den 1990ern aus seinem Schlaf geweckt und uns Heutigen zugänglich gemacht worden. Davon berichtet diese Schrift, die es sich zur Aufgabe stellt, den Einheimischen wie Gästen das wechselvolle Geschehen auf dem Peterbühl näher zu bringen.

© 2021 Elmar Perkmann - elmar.perkmann@gmail.com
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